Stickerei aus Muhu

Nach der Periode der Kreuzstichstickerei ist etwa in den Jahren 1910-1920 die Blumenstickerei für die Muhu-Stickerei typisch geworden. Jedoch gibt es ziemlich große Unterschiede zwischen den Stickarbeiten der Anfangszeit und heute. Blumenstickerei wurde in ganz Estland zuerst nach der deutschen Bundstickerei kirjutikandus genannt, später lillkiri (Blumenmuster). In Muhu hieß es anfangs lankimine (das Nähen mit langen undichten Stichen), später roosimine, heutzutage werden fast alle gestickten Blumen Muhu-Stickerei genannt.

Stickerei aus muhuIn den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts sind viele junge ledige Frauen aus Muhu auf dem westlichen Festland (Wiek) und in Pärnu auf Arbeit gewesen. Sie interessierten sich auch für die Handarbeit, die dort gemacht wurde. Damals gab es auf dem westlichen Festland schon rote Decken mit Blumenmuster, die die Frauen aus Muhu beeindruckt haben. Die ersten bestickten Decken, die nach Muhu gebracht wurden, hatten die Meister auf dem Festland gemacht. Nachdem die Frauen aus Muhu die Technik des Stickens erlernt hatten, begannen sie ihren eigenen Stil zu entwickeln. Die Decken vom Festland und Muhu sahen schon nach kurzer Zeit unterschiedlich aus.

Die Entstehung des Markenzeichens „Muhu tikand“ (Muhu-Stickerei) ist eindeutig mit der Vereinigung der Meister der Volkskunst UKU (1966-1993) verbunden . In UKU wurden hohe Anforderungen an Produktivität und Qualität der Ware gestellt und deshalb ließen sie sich sehr gut verkaufen. Muhu-Stickerei wurde nicht nur auf Muhu, sondern auch in Abteilungen von UKU in anderen Regionen Estlands gemacht.

Wenn man nach der Definition von Muhu-Stickerei fragt, dann muss man sagen, dass sie ein Phänomen ist, das mit der Zeit, den Gegebenheiten und Menschen verbunden ist und sich immer zusammen mit der Insel Muhu und ihren Geschichten weiter entwickelt.

Das Sticken ist auf Muhu Lebensstil geworden. So wie Menschen unterschiedlich sind, so gab es und gibt es auch heute unter den Stickerinnen von Muhu sowohl Frauen mit auffallend eigenartiger „Handschrift“ als auch diejenigen, die fleißig nach einer Vorlage sticken. Das unterschiedliche Stickerinnen auf Muhu jedoch einen einheitlichen Eindruck erreicht haben, ist dadurch zu erklären, dass sie eng zusammen gelebt und gearbeitet haben und so ist eine Synergie entstanden, die durch Erfahrungen der Generationen beeinflusst wurde. Muhu-Stickerei ist nicht ein eindeutiges und momentan erfassbares Können. Sie ist eine pfiffige Kombination verschiedener Möglichkeiten. Ein wichtiger Maßstab ist nach wie vor die Akzeptanz der Gemeinde.

In der Stickerei von Muhu spielen die manuelle Geschicklichkeit und die Kreativität eine wichtge Rolle. Es ist zu bewundern, wie gut die Schöpfer der Muhu-Muster zeichnen können, ihre Kompositionsauffassung und ihren Farbensinn muss man anerkennen. Die auffallend guten Stickerinnen haben im Laufe ihres Lebens ihre eigene Stickart und den eigenen Stil entwickelt, und sie waren sehr produktiv.

Schöne bestickte Sachen aus hundert Jahren geben den Interessenten die Möglichkeit der Entwicklungsgeschichte der Muhu-Stickerei, der Eigenart der Stickerinnen und ihrem Stil des Stickens zu folgen.